mangoseele

Vom (vegetarischen) Essen und Reisen

Tortillas wie vom mexikanischen Dorf – mein erster Versuch der Nixtamalisation

20 Kommentare

Bisher habe ich mexikanische Maistortillas immer mit Masa Harina hergestellt, dem mexikanischen Maismehl, das man in mexikanischen Supermärkten findet. Es handelt sich um industriell hergestelltes Mehl, das meist auch noch aus gentechnisch verändertem Mais hergestellt wird. Richtig glücklich war ich damit also nicht wirklich und auch geschmacklich kamen die Tortillas nie an die heran, die man mit etwas Glück in Mexiko auf dem Markt von – meist älteren – Señoras kaufen konnte, die sie noch richtig traditionell zu Hause herstellten. Aber eigentlich müssten sich so richtig hausgemachte Tortillas doch auch selbst herstellenlassen? Die Nixtamalisation kann doch keine Zauberei sein?

Die Nixtamalisation haben in Mexiko die indigenen Völker schon vor Jahrhunderten praktiziert. Dabei wird getrockneter Mais in Kalkwasser aufgekocht und eingeweicht. Dadurch wird er bekömmlicher und der Kalzium und Niacingehalt steigt deutlich. Angeblich ist es dieser Methode zu verdanken, dass die mexikanischen Indigenas im Gegensatz zu afrikanischen Völkern, die diese Methode nicht anwendeten, nicht unter Mangelerscheinungen litten.

Kalk, genauer gesagt gelöschter Kalk (cal apagada, Calciumhydroxid) habe ich von meiner mexikanischen Freundin Dana im Herbst mitgebracht bekommen, da man die Nixtamalisation auch für den Pozolemais verwendet, den sie mir mitgebracht hat. In manchen Rezepten wird auch Cal viva (Calciumoxid) verwendet, dann entstehen Gase sobald man etwas Wasser hinzufügt. Sobald keine Gase mehr freigesetzt werden, wenn man langsam mehr Wasser dazugibt, hat sich das Calciumoxid in gelöschten Kalk verwandelt und kann angeblich normal weiterverwendet werden (so habe ich es gelesen, aber nicht selbst ausprobiert). In Deutschland sind beide als Zusatzstoff in Lebensmitteln zugelassen und im Netz als solche bestellbar.

Ich habe für die Tortillas Popcornmais verwendet, das war der einzige, den ich gefunden habe, es gibt ihn sogar in Bioqualität. Den Mais habe ich anschließend etwas getrocknet und in meiner Getreidemühle gemahlen, das hat gut funktioniert. Falls ihr keine habt, könnt ihr es auch im Foodprozessor versuchen, aber das funktioniert angeblich nicht so gut, da das Maismehl nicht fein genug wird. Ganz traditionell ist das Mahlen mit dem Metate, wie ihr es hier im Bild seht:

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Den Tortillateig, die sogenannte masa selbst herzustellen ist gar nicht so aufwendig, man muss nur wegen der Nixtamalisation schon am Vortag den Mais einweichen. Es müsste eigentlich auch funktionieren, den nixtamalisierten Mais ganz trocknen zu lassen und dann bei Bedarf die notwendige Masse zu mahlen, das werde ich vielleicht das nächste Mal ausprobieren.

Die Tortillas sind superlecker geworden, geschmacklich kein Vergleich zu Tortillas aus gekaufter Masa Harina! Und erst recht kein Vergleich zu so manchen Rezepten aus normalem Maismehl, die so durch das Netz geistern…Sie waren noch ein bisschen zu wenig elastisch, sie brachen an einer Stelle beim Füllen und Aufrollen. Das nächste Mal werde ich noch etwas mehr Wasser hinzufügen und vielleicht auch noch bei der Nixtamalisation etwas experimentieren, aber das ist jetzt schon Jammern auf ziemlich hohem Niveau. Also, wenn ihr neugierig geworden seid, besorgt euch gelöschten Kalk und versucht es einfach mal selbst! Ich befürchte, meine Masa Harina wird im Vorratsschrank verstauben…

Tortillas mit Nixtamalisation

Für ca. 8-9 größere Tortillas braucht ihr:
250g getrockneten Mais (ich: Popcornmais)
1/4 (ein Viertel) EL gelöschter Kalk (Calciumhydroxid)
1 knapper halber TL Salz
700ml Wasser zum Kochen + Wasser für die Masa (ich: ca. 150 ml)

Den Kalk löst ihr in etwas kaltem Wasser auf. Dann gebt ihr 700 ml kochendes Wasser in einen Topf, rührt das Kalkwasser unter, gebt den gewaschenen Mais hinein und lasst es aufkochen. Den Mais lasst ihr gut eine Minute kochen (in manchen Rezepten wird etwas mehr angegeben, hier werde ich noch etwas experimentieren, der Mais sollte aber auf keinen Fall gekocht sein), schaltet dann das Gas bzw. die Herdplatte aus und lasst den Mais über Nacht zugedeckt im Kalkwasser einweichen. Am nächsten Tag sollte sich die äußere Haut problemlos von den Maiskörnern abziehen lassen (das ist nur zur Probe, ob die Nixtamalisation funktioniert hat, ihr müsst euch nicht die Arbeit machen, den Mais zu schälen).

Nun schüttet ihr das Kalkwasser weg und wascht den Mais so lange bis das Wasser klar ist.

Um den Mais in meiner Getreidemühle mahlen zu können, habe ich den Mais bei 40 Grad im Backofen etwas trocknen lassen, so dass er äußerlich wieder trocken (aber nicht hart) war. Zum Mahlen habe ich die Getreidemühle zwischen mittel und fein eingestellt, das hat gut funktioniert. Wenn ihr den Mais auf andere Weise mahlt, könnt ihr ihn auch feucht lassen.

Zu dem Maismehl fügt ihr einen knappen TL Salz und Wasser hinzu (in meinem Fall ungefähr 150 ml) und knetet die Masse bis ein geschmeidiger Teig entsteht. Nun lasst ihr ihn mindestens 30 Minuten ruhen. Falls der Teig dann wieder zu trocken und bröselig geworden ist, müsst ihr noch etwas mehr Wasser unterkneten (das war bei mir der Fall). Der Teig sollte so weich und geschmeidig sein, dass er an den Rändern nicht auseinanderbricht, wenn ihr die Kugeln flach drückt.

Auf die Tortillapresse legt ihr einen aufgeschnittenen Gefrierbeutel, legt darauf eine gut walnussgroße Kugel Teig, bedeckt sie mit dem Gefrierbeutel und presst sie zu einem Fladen. Bei meiner Tortillapresse muss ich den Fladen ein paar mal drehen und mehrmals pressen, damit er schön dünn wird. Falls ihr keine Tortillapresse habt, könnt ihr entweder wie die MexikanerInnen versuchen, die Fladen per Hand zu formen oder ein Nudelholz zur Hilfe nehmen.

Tortillas werden traditionell auf einem sogenannten Comal, einer flachen Eisenplatte gebacken. Ich verwende dafür meine spanische Plancha, aber eine Pfanne (am besten unbeschichtet) funktioniert natürlich auch. Zum Backen sollte die Pfanne gut erhitzt sein. Die Tortillas backt ihr von beiden Seiten bis sie leicht bräunen und wickelt sie sofort in ein Geschirrtuch. Die nächsten Tortillas legt ihr direkt darauf und wickelt sie ebenfalls ein. Wenn sie so etwas abkühlen, werden die Tortillas auch deutlich flexibler als direkt vom Herd. Wichtig ist, dass sie auf keinen Falls austrocknen.

Tortillabäckerin in Oaxaca

Tortillabäckerin in Oaxaca

Nun könnt ihr sie nach Lust und Laune füllen, in Sauce tauchen oder zu Tostadas oder Nachos frittieren. Einige Rezepte findet ihr schon bei mir unter dem mexikanisch Tag. Die nächsten Tage werde ich euch noch ein Rezept für Enchiladas Rojas, gefüllte Tortillas mit einer Sauce aus getrockneten Chilis vorstellen, für die ich meine ersten richtig hausgemachten Tortillas verwendet habe. Falls ihr euch noch ein bisschen in die mexikanische Küche entführen lassen wollt, könnt ihr euch hier ein paar meiner kulinarischen Urlaubserlebnisse ansehen.

Buen provecho!

20 Kommentare zu “Tortillas wie vom mexikanischen Dorf – mein erster Versuch der Nixtamalisation

  1. Total interessanter und spannender Beitrag! Vielen Dank, Melanie! Man lernt nie aus!
    Liebe Grüße Maren

  2. Das gibt’s doch nicht – obwohl ich deinem Blog schon seit geraumer Zeit folge, scheint deine Faszination für Mexiko völlig an mir vorbeigegangen zu sein. Wie dumm von mir (vor allem, wenn ich mir dein Titelbild anschaue)! Ich teile deine Mexiko-Leidenschaft jedenfalls durch und durch und bin ganz begeistert von deinem Rezept heute (und auch allen anderen mexikanischen davor 😉 ). Werde ich zurück in der Heimat auf jeden Fall mal ausprobieren. Falls es doch mal schnell gehen soll, kann ich dir die neue Sorte von Holamexico empfehlen. Da bestelle ich viele Sachen und die haben jetzt ein GMO-freies Maismehl namens Naturelo. Aber selber machen ist sicher die allerbeste Variante! Du wohnst auch in Berlin, oder? Da sollten wir doch glatt mal ne Noche Mexicana machen, wenn ich zurück bin (gerade bin ich noch bis Anfang März für meine Masterarbeit in Nairobi). Hast du eigentlich mal in Mexiko gelebt oder bist du einfach durchs Reisen dort auf den Geschmack gekommen? LG, Caro

    • Hallo Caro, ich habe 2005 fünf Monate in Mexiko gewohnt und Land und Leute ins Herz geschlossen. Eine Noche Mexicana klingt nach einem tollen Plan, lass uns das machen, wenn du wieder da bist!
      Und danke für den Tipp mit dem GMO-freien Mehl, das ist neu, oder? Liebe Grüße Melanie

  3. Das klingt sehr, sehr spannend, zumal ich den Tortillas aus Masa Harina nie besonders viel abgewinnen konnte. Bio-Popcornmais habe ich sogar im Vorrat. Es stehen zuvor zwar noch ein paar andere Dinge an, aber ich bin ziemlich sicher, dass ich es probieren werde. Danke für den ausführlichen Bericht! 🙂
    Liebe Grüße,
    Eva

  4. Danke für den tollen und äusserst interessanten Beitrag, den ich mit grosser Neugier gelesen habe. Deine Tortillas sehen jedenfalls spitzenmässig aus! Seit ich mir im letzten Jahr eine Tortilla-Presse angeschafft habe, gibt es bei mir auch immer wieder mal hausgemachte Tortillas. Allerdings, wie bei dir bis anhin, mit Masa Harina. Wenn ich jetzt bloss noch gelöschten Kalk auftreiben könnte 😉

  5. Hallo Melanie, ich bin schwer beeindruckt! Für den Anfang würden mir ja erstmal überhaupt selbstgemachte Tortillas reichen. Eine Tortillapresse ist jetzt endlich bestellt worden! (Manchmal passiert es tatsächlich, dass ich erstmal eine Weile überlegen muss, ob es wirklich noch ein weiteres Küchengadget sein muss.) Aber wenn ich mich eingearbeitet habe, wird auf jeden Fall Deine Version als Tortillas 2.0 folgen!
    Gruß Diana

  6. Liebe Melanie,
    ich habe dein Experiment schon bei facebook verfolgt und bin begeistert! Es ist super, wenn etwas Traditionelles in allen Herstellungsstufen in der Küche gelingt! Hut ab…
    Liebe Grüße
    Cheriechen

  7. Wow! Du kniest Dich aber mächtig rein für die perfekten Tortillas. 🙂 Danke für diesen interessanten Beitrag. Ich finde die Fotos von der traditionellen Herstellung in Mexiko sehr faszinierend; vor allem dahingehen, wie man sich mit einfachen Mitteln behilft.

    • Was die einfachen Mittel betrifft, da fand ich es sowieso total spannend die „Küchen“ der Indígenas Frauen in Mexiko zu sehen. Dort wird teilweise wirklich noch wie vor Jahrhunderten gekocht.

  8. Den „Kalk“ kann man auch über die Apotheke beziehen, einfach mal nachfragen. Und ansonsten- ein hochinteressantes lebensmittelchemisches Experiment, ich bin schwer beeindruckt.

  9. bin gerade über Google zu diesem Beitrag gelangt. das Naturelo Maismehl ist wirklich spitze. So viel aromatischer als Maseca. Gibt’s seit kurzem sogar in blau:
    http://www.holamexico.de/Blaues-Maismehl
    Daraus werd ich dann mal Huaraches machen.

  10. Hallo. Vielen Dank für das Rezept. Man kann die Masse auch gut mit dem Fleischwolf mahlen.

Hinterlasse eine Antwort zu carokocht Antwort abbrechen