Vor Folegandros hatte ich etwas Angst. Folegandros war die Insel, die mich bei meinem ersten Inselhopping vor 15 Jahren am meisten fasziniert hatte. So alte, verklärte Erinnerungen sind ja immer höchstgefährlich. Wie stark sich die Insel wohl verändert hatte? Die seitdem entstandenen Luxusunterkünfte bei der Unterkunftssuche ließen mich etwas skeptisch werden. Die Einschätzungen auf den Blogs gingen stark auseinander, von Richi, der Folegandros als eine seiner Lieblingsinseln bezeichnet bis zu Katharina, die schrieb „unsere Inselwelt ist das nicht (mehr).“ Ob es wohl noch meine ist? Schon 2011 hatten wir kurz mit Folegandros geliebäugelt und uns dann doch für Sikinos entschieden (das Ende April so einsam war, dass nicht einmal eine gute Taverne zu finden war). Diesmal also Folegandros. Anfang April. Da müsste es ja zumindest noch ruhig sein.
Von Bord der Adamantios Korais gingen vor allem Griechen, außer uns war nur noch ein junges Paar als Touristen erkennbar. Ich hatte ziemlich viele Vermieter vorher angemailt, fast alles war noch geschlossen. Die einzige positive Antwort bekamen wir von den Irene Rooms, die auch anboten, uns vom Hafen abzuholen. Eine gute Entscheidung, denn weit und breit war kein Bus zu sehen und die Chora liegt 3 km den Berg hinauf. Wir saßen schon im Auto, da sahen wir die zwei anderen Neuankömmlinge etwas unschlüssig an der Bushaltestelle stehen. Ich fragte unseren Vermieter, ob denn heute noch ein Bus fahren würde: Nein. Ob er denn noch ein Zimmer habe, falls die zwei etwas suchten: Ja. Also schnell bei den beiden nachgefragt, ein Zimmer vermittelt und unser Vermieter fuhr zweimal in die Chora, um uns nicht alle gemeinsam ins Auto zu quetschen.
Das Zimmer war wie erwartet einfach, aber sauber. Nur der Balkon vom Nebenzimmer gefielt mir deutlich besser, sogar ein bisschen Meer war von dort zu sehen. Ob wir vielleicht auch das andere Zimmer haben könnten? Ja, kein Problem, es kostete zwar 5€ mehr, da es ein großes Dreibettzimmer war, aber das war mir der Blick wert. Und das andere Zimmer stand dadurch gleich für die unerwarteten Gäste bereit.

Blick von unserem Balkon in den Irene Rooms
Unsere neuen Bekannten, Adriana und Jan, stellte sich heraus, kamen auch aus Berlin-Neukölln, quasi Nachbarn sozusagen. Welch ein Zufall! Wir verabredeten uns gleich fürs Abendessen und zogen los, die Insel zu erkunden.
Die Chora ist nach wie vor wunderschön, vor allem das Kastroviertel lässt jedes Kykladenherz höher hüpfen. Seltsam, dass ich so wenige Fotos gemacht habe…

Im Kastro Viertel der Chora

Wenn man aus der Chora herauswandert, sieht man die teils verfallenen landwirtschaftlichen Terrassen am steilen Abhang, die fast bis ans Meer herunterreichen. Weiter hinten entdeckten wir aber auch schon die nächsten Luxusappartments im Bau.

Wir wollten zum Fira Stand und dann weiter in die Angali Bucht. Das erste Stück des Weges ist ein traumhafter Weg, leicht zu finden und sehr gut ausgeschildert. Im April ist es zwar noch nicht so warm, dafür blüht und grünt es an allen Ecken und duftet herrlich nach Kräutern. Kein Vergleich mit den trockenen, kargen Inseln im Herbst!

Blick auf die Christos-Kapelle
Unterhalb der Christos-Kapelle war der Weg nicht mehr so klar zu erkennen und unsere digitale Wanderkarte von Terrain Maps ziemlich ungenau – was wir in Folegandros leider immer wieder feststellen mussten. Schade, bisher hatten uns die Karten immer sehr gut geführt! Nach einigem Hin- und Hergeirre erreichten wir den Fira Stand. Leider war er nicht besonders einladend, der Winter hatte jede Menge Müll angeschwemmt, kein angenehmer Platz zum Verweilen. Eigentlich sollte es einen Weg an den Felsen entlang in die Angali Bucht geben, von einem begehbaren Pfad war aber weit und breit nichts zu sehen. Nach einigem Suchen und Kletterversuchen über die Steine fiel uns auf, dass manche dort wohl noch nicht lange lagen. Das war des Rätsels Lösung: Ein Steinbruch hatte scheinbar den Weg verschüttet. Wir beschlossen also umzukehren, alles andere erschien uns zu riskant.
So blieb uns noch Zeit, um hinauf zur Kirche Panagia zu laufen. Nicht ohne vorher Wein, Oliven und Pistazien für den Aperitif mitzunehmen. Von dort sieht man wie direkt Chora an die Steilküste gebaut ist. Welch ein traumhafter Platz, um den Sonnenuntergang zu genießen!

Tavernen waren nur wenige geöffnet, wir entschieden uns für die Fischtaverne Chrisospilia. Der frische Fisch war leider schon aus, wir nahmen daher Fava, Riesenbohnen in Tomatensauce (Gigantes) und marinierten Oktopus. Die Fava waren gut, der Oktopus aber zäh (und teuer) und die Gigantes definitiv aus der Dose. Ein absolutes No Go! Das war mir bisher nur im touristischen Rhodos passiert, kein gutes Zeichen…Aber wenigstens hatten wir einen netten Abend. Adriana und Jan hatten mittags gut im Stratos Anna Ki Araxe gegessen. Morgen würden wir kein Risiko eingehen…
Nach einem ausgiebigen Brunch am nächsten Morgen, nahmen wir den Bus nach Ano Meria. Da ein Frühstück zu viert schnell mal ein bisschen länger dauert, passte der 14 Uhr Bus perfekt. Der Bus fuhr nur zweimal täglich, einmal um 7:30h, einmal um 14 Uhr und nachdem an der ersten Ecke eine halbe Schulklasse zustieg, wussten wir auch warum. Für Touristen gibt es in dieser Jahreszeit noch keine Busse.
In Ano Meria stiegen wir spontan mit den letzten Schülern aus, ich hatte komplett unterschätzt wie lange sich das zerstreute Dörfchen zieht, es waren locker noch zwei Kilometer bis zur Abzweigung des Wegs zum Livadaki Strand. Jetzt wurde uns auch klar, warum der Busfahrer überrascht war, dass wir schon so früh aussteigen wollten. Aber so sahen wir zumindest noch das ganze Dorf. Das ein oder andere Ferienhäuschen wurde auch hier schon gebaut, die große Tourismuswelle schien aber an diesem Ende der Insel noch fern.
Wir wanderten durch ein Blütenmeer zum Livadaki Strand, den man laut Graf Wanderführer von 2006 meist für sich alleine hat.

An diesem Tag hatten aber noch zwei weitere Paare die gleiche Idee. Zwei waren auch schon im Wasser – ein deutsches Paar wie sich später herausstellte (was anderes als Deutsche oder Skandinavier wäre bei den Temperaturen auch kaum in Frage gekommen). Da musste ich doch hinterher! Und das Wasser war überraschend angenehm. Solch geschützte Buchten haben im April ihre Vorteile!

Der Livadaki Strand
An der Bucht entlang ging es weiter zum Leuchtturm. Danach ließ uns unsere Wanderkarte wieder im Stich. Der Weg entlang der Küste war kaum zu erkennen und schien nur teilweise korrekt.

In diesem Tempo würden wir bei Tageslicht wohl kaum die Straße erreichen. Also kehrten wir lieber um und wanderten auf dem ausgeschilderten Weg hinauf nach Ano Meria.

Keine schlechte Entscheidung, denn auch der Weg auf der Straße zurück nach Chora war wunderschön in der Abendstimmung. Kaum ein Auto, dafür die Chora in magischem Licht. Ich hatte einen kleinen Fotorausch…




Den Abend ließen wir im Stratos Anna Ki Araxe ausklingen. Zum ersten Mal saßen wir abends draußen. Auf dem schönen Dorfplatz, zwar eingemummelt in unsere warmen Jacken, aber immerhin! Hier gab es jeden Abend nur drei Gerichte, die dafür hausgemacht waren und lecker. Ob wir denn über Ostern blieben? Adriana und Jan antworteten, sie müssten nach Patras, zu Freunden. Ostern sei nirgends so schön wie in Folegandros, wir müssten hierbleiben. Patras, Patras, das ist doch keine Alternative! Am meisten redete sich Roberto, ein Italiener aus Mailand in Rage, der seit Langem auf Folegandros ist; Patras, ist häßlich, ich komme aus Mailand, das ist wie Mailand. Patras, Patras…großes Kopfschütteln. Patras, Patras, der Running Gag wird uns noch bis zur Abfahrt verfolgen. Ich habe mal unerwähnt gelassen, dass wir vor Ostern wieder nach Hause mussten wegen der Arbeit, das wäre vermutlich kaum auf mehr Verständnis gestoßen…
An unserem letzten Tag auf Folegandros wanderten wir von der Chora über Petoussis und Livadi zum Katergo Strand und dann weiter zum Hafenort Karavostasis.

Die Kirche Evangelistria bei Petoussis
Wir waren wieder umgeben von Blumen und überall summten Bienen um uns herum. Plötzlich blieb meine bessere Hälfte stehen, und fing an sich hektisch zu zu bewegen. Ich wusste ja, dass er kein großer Bienenliebhaber ist, aber weshalb plötzlich solche Panik? Als ich näher kam merkte ich, dass sich eine Biene auf seinem Kopf in den Haaren verfangen hatte. Mist, da konnte ich die Panik langsam verstehen! Zum Glück ließ sie sich mit seinem Schal wieder herauslocken ohne zu stechen. Es wunderte mich nicht, dass er kurz danach nicht zur Steilküste hinuntergehen wollte, wo ein Schild warnte: Dangerous bees!
Vom kleinen Weiler Livadi aus führt ein ausgeschilderter Weg zum Katergo Strand. Das letzte Stück hinunter war eine kleine Herausforderung für meine fehlende Schwindelfreiheit. Aber so kurz vor dem Ziel bzw. vor allem vor dem Wasser bin ich nicht so einfach aufzuhalten. Der Strand mit den vorgelagerten Felsen gilt als der vielleicht schönste Strand von Folegandros. Reizvoll ist er auf jeden Fall mit seinen vorgelagerten Felsen. Das Wasser war deutlich kälter als am Vortag, aber mit ein bisschen Zähne Zusammenbeißen ging’s.

Der Katergo Strand
Der Weg über die Felsen zum Livadi Strand schien uns schwierig bis unmöglich, daher liefen wir auf dem gleichen Weg zurück nach Livadi und von dort auf der kleinen Straße zum Hafenort Karavostasis.
Auf dem Weg entdeckten wir eine erfindungsreiche Installation. Ein alter Roller diente mit seinem Motor dazu Wasser aus einem Brunnen zu pumpen. Wenn das nicht kreatives Recycling ist!

Ein Roller als Brunnenpumpe
Der Hafenort Karavostasis lag noch im Winterschlaf. Ich hätte gerne noch einen Kaffee getrunken, aber wir fanden nichts was geöffnet hatte. So wanderten wir eben ungestärkt hinauf zur Chora. Auch wenn ich wirklich versucht war entweder das einzige Taxi der Insel zu rufen oder das Angebot unserer Vermieterin anzunehmen, uns abzuholen…

Der Hafenort Karavostasis
Den letzten Abend gingen wir wieder gemeinsam ins Stratos Anna Ki Araxe. Der Wirt und Roberto, der Italienier, versuchten alles, um uns zu überzeugen die Abfahrt zu verschieben und Ostern auf der Insel zu verbringen. Zwei andere deutsche Stammgäste wurden zu uns geschickt – die gleichen, die wir beim Baden am Livadaki Strand getroffen hatten – um uns zu erzählen wie einzigartig die Osterfeierlichkeiten auf Folegandros seien: 6 Tage lang wird gefeiert, jeden Tag wird die Reliquie in eine andere Kirche gebracht, mal zu Fuß, mal mit dem Boot und immer wird gemeinsam gegessen und gefeiert. Auch wenn wir schon zweimal Ostern auf den griechischen Inseln verbracht haben und ja überall gefeiert wird, es klang wirklich nett! Aber wir hatten ja keine Wahl…Roberto ließ so lange nicht locker, bis Jan seinen griechischen Freund Giorgios anrief, damit dieser bestätigte, dass die gesamte Familie in Patras wartete…Und auch der Wirt verwöhnte uns mit einem extra halben Liter Wein und besonders starkem Rakomelo. Ob er wohl hoffte, dass wir am nächsten Tag die Fähre verschlafen würden?
Er hatte kein Glück, Irenes Sohn brachte uns rechtzeitig zum Hafen und wir verließen die Insel Richtung Kimolos. Folegandros gefällt mir noch immer – auch wenn ich definitiv nicht später in der Saison kommen möchte. Zum Wandern im Frühjahr ist es aber landschaftlich einfach großartig. Von der Atmosphäre her merkte man schon, dass inzwischen der Tourismus Fuß gefasst hat, meine Griechischversuche wurden teilweise konsequent ignoriert. Aber Anfang April waren nur eine Handvoll Touristen auf der Insel und das waren fast nur Stammgäste. Da kann man dann auch gut über die Luxusapartments mit Pool hinwegschauen. Aber jetzt waren wir gespannt auf Kimolos!
Hier findet ihr die ersten Etappen unserer Reise:
Ios – die Partyinsel vor der Party
Syros – „Großstadt“ und Einsamkeit
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